:: Standpunkt: agiles QM ::

Das aktuelle Modethema Agilität ist nun seit geraumer Zeit auch in der Qualitätsgemeinde angekommen und …

... wir verfolgen die Diskussionen dazu in Fachpresse und Veranstaltungen. Eine Beteiligung an temporären Erscheinungen unserer Buzzword Kultur ist mir selten die Zeit wert. Agilität scheint aber diesem Status entwachsen und erste Erfolge in der Evolution von Entwicklungsprozessen zu verzeichnen.
Insofern könnte sich also ein Blick auf die Möglichkeiten von Flexibilität im Managementsystem einer Organisation lohnen. Legen wir als Diskussionsbasis die high level structure der ISO Generation 2015 zugrunde.
Die zentrale Frage wird sein: Wie weit lässt sich ein modernes ISO Managementsystem nach agilen Grundsätzen aufbauen und betreiben?

  • Kontext und Stakeholder
Im ISO Kapitel 4 wird das Umfeld der Organisation analysiert. In Bezug auf Agilität wird immer wieder das Acronym VUCA propagiert, was Unsicherheit und zunehmende Komplexität der Wirtschaftswelt signalisieren soll. Die Kontextanalysen sind gerade dazu da, mögliche Veränderungen in Umfeld und relevanten Parteien zu erkennen und zu bewerten. Insofern erfasst und reagiert ein ISO Managementsystem hier bereits auf agile Marktbedingungen. 

  • Führung und Planung
Die Verantwortung der Geschäftsleitung fordert klare Strukturen in Bezug auf Rollen, Kundenorientierung und Ziele des Managementsystems. Hier geht es einerseits um Organisationsausrichtung, also darum, zB. Qualität als Säule der Unternehmensstrategie für die Mitarbeiter erkennbar zu machen. Andererseits sind Rollenprofile zu etablieren, damit "... die Prozesse die beabsichtigten Ergebnisse liefern" (Kap. 5.3b).
Beide Themen haben viel mit - zumindest mittelfristiger - Stabilität zu tun. Volle Flexibilität mit häufigen Anpassungen bei Zielen und Rollen würden Mitarbeiter verwirren und eine Organisation schwächen anstatt ans Ziel zu führen. 

  • Unterstützung und Betrieb
Die Unterstützungsaufgaben des Kapitel 7 sollen die Rahmenbedingungen der operativen Prozesse sicherstellen: Fachwissen, kompetente Mitarbeiter, praktizierter Arbeitsschutz und betriebsbereite Fertigungsmittel. Hierbei liegt der Fokus auf einem stabilen Niveau an Ressourcenverfügbarkeit. Flexibilität sind hier schon aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen enge Grenzen gesetzt. 
Beim Betrieb geht es um alle Kernprozesse einer Organisation, von den Kundenanforderungen bis zu After Sales Aktivitäten. Hier hängt es stark vom Produkt ab, wie flexibel ein Unternehmen sein sollte. In jedem Fall sind Prozesse notwendig. Deren Granularität lässt sich individuell anpassen, um agilen Methoden Rechnung zu tragen.

  • Analyse und Verbesserung
Bei der Analyse von Organisationsergebnissen erleichtert eine Unterscheidung in zwei Ergebnisarten die Betrachtung: finanzwirtschaftliche Ergebnisse sind durch etablierte Kennzahlen weitgehend fixiert. Hier zählt Konstanz in der langfristigen Verbesserung von EBIT, Umsatzrentabilität & Co.
Leistungswirtschaftliche Ergebnisse bieten mehr Spielraum für Flexibilität. Qualitätsziele, Fehlerkennzahlen oder Prozess KPI lassen sich dynamischer anpassen, je nach aktueller (strategischer) Zielsetzung. 
Und schlussendlich die Verbesserung als solches. Ein für sich sehr dynamischer Prozess, der über iterative Wege die Organisationsstandards auf das nächste Level heben soll. 

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass ein modernes ISO Managementsystem bereits viele agile Ansätze integriert. Es werden aber weiterhin auch klassische Attribute wie Kontinuität und Planbarkeit adressiert. 
Am Ende wird es darum gehen, welchen Veränderungsbedarf ein Geschäftsmodell aufweist. Dies kann nicht pauschal beantwortet werden, nicht mal innerhalb einer bestimmte Branche.

Unser Fazit daher: wenn eine Organisation einen höheren Bedarf an Flexibilisierung erkennt, so sollte auch ihr Managementsystem diesen unterstützen können. Die Möglichkeiten dazu sind in der ISO Generation 2015 gelegt und werden in der nächsten Revision vermutlich noch ausgebaut. Agiles QM wird also eine individuelle Anforderung sein, die sich aus dem Geschäftsmodell ableitet und vom Systembeauftragten zur Weiterentwicklung seines Managementsystems angenommen werden muss.

Herzlichst,

Ihr Andreas Linsinger 

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