:: social BPM: Mythos, Hype oder Lösung ::

Die Managementmethode Business Process Management (BPM) hat in den ca. zwei Jahrzehnten ihres Bestehens ...
... trotz breitflächiger Anwendung nicht in allen Unternehmen überzeugt. Viele Ressourcen wurden in die Abstraktion der Arbeitsorganisation investiert. Es wurde in Software für Experten investiert und Menschen in Techniken der Methode aus- und weitergebildet. Marktseitig entstand ein Angebotsdschungel an professionellen Prozess-Applikationen. Die Wissenschaft erarbeitete Notationsstandards für einheitliches Prozessdesign. In Studien zu den Topthemen der Unternehmensorganisation finden sich Geschäftsprozesse und ihre Optimierung steht's unter den Top 3. Kein Meeting oder Interview mit Führungskräften, bei dem nicht mindestens einmal das Wort "Prozesse" fällt.

Man könnte meinen die Managementmethode BPM sei auf einem guten Weg. Dennoch ließt man im Qualitätsbranchen-Blatt QZ: "Nach gut zehn Jahren Erfahrung jedoch ist vielfach Ernüchterung eingetreten, denn die erhofften Prozessverbesserungen sind oft ausgeblieben." (QZ01/14)

An dieser Stelle auf Ursachenforschung zu gehen, würde Zielsetzung und Umfang dieses Blogs sprengen. Viele Einflüsse verhindern oft erfolgreiches BPM in Unternehmen. Zu den häufigsten Faktoren zählen aus meiner Erfahrung: fehlendes Mandat für BPM seitens des Managements, handwerklich schlechte Systemumsetzung, anwender-ferne Prozess-Applikation.

Was kann nun "social BPM" an dieser Situation ändern und was ist das überhaupt? "Social BPM" kursiert als Variante von BPM seit einigen Jahren in den Fachkreisen und wurde erst in Blogs (u.a. Forrester, Blog des VP of Fujitsu) dann in Konferenzen diskutiert und später sogar in der Fachliteratur beschrieben. Um zu klären ob es sich dabei um ein virtuelles Hirngespinst, einen kurzlebigen Trend oder eine veritable Lösung handelt, möchte ich ein paar Alleinstellungsmerkmale von "social BPM" aufzeigen, die allesamt aus meinen Beratungsprojekten stammen und damit in der Unternehmensrealität nachweisbar sind.

Vielleicht gelingt die beste Erklärung des Prefix "social" über folgendes Zitat aus einem Buch von Dr. Peter Schütt: "Dass alle Mitarbeiter Autoren sind, ist nicht das Schreckensszenario sondern die Vision." Diese Geisteshaltung rückt die Mitarbeiter aus der Rolle der Prozessanwender in die Mitverantwortung der Autorenschaft für ihre Prozesse. Ein mutiger Schritt, der nicht mit jeder Unternehmenskultur sofort kompatibel ist, aber langfristig die Akzeptanz für das Thema Prozessmanagement erheblich stärkt. Natürlich bedarf es der Regeln für Prozessautoren. Sind Prozessbeschreibungen und Visualisierungen aber ein Ergebnis des Zusammenwirkens von Verantwortlichen und Ausführenden, steigt die Bereitschaft, dieses Ergebnis in die Unternehmensrealität umzusetzen deutlich. Die Prozesse sind in der "Sprache der Mitarbeiter" verfasst, unter deren unmittelbarer Beteiligung.

Ein zweiter usp von "social BPM" liegt in der reduzierten Komplexität. Auch hier möchte ich mit einer Redewendung beginnen: "Weniger ist mehr". Viele Ansätze von BPM folgen einem hohen intellektuellen Anspruch, der zum Teil sogar den aktuellen Stand der Wissenschaft/Literatur zum Thema übersteigt. Dies zeigt sich z.B. in komplexen Rollenkonzepten, umfangreichen Symbolbibliotheken und inhaltlich überfrachteten Prozessdiagrammen. Manchmal scheint die Unternehmensstruktur diese konzeptionellen Ansätze zu erfordern. Fragt man danach, wer die komplexen BPM Konzepte nun umsetzt, sind dies oft dieselben Experten, die sie auch entwickelt haben. Man wundert sich dann nach einiger Zeit, dass das BPM "von Experten für Experten" keine breite Akzeptanz im Unternehmen findet.
Hier geht "social BPM" einen bewusst einfacheren Weg, indem alle konzeptionellen BPM Komponenten so aufbereitet sein müssen, dass sie in kurzen Trainings und Präsentationen jedem Mitglied der Organisation vermittelbar sind. Denn jeder Mitarbeiter hat eine Rolle im "social BPM" und darf und soll sich einbringen.

Ein drittes Alleinstellungsmerkmal sehe ich in den angebotenen Inhalten auf BPM Prozessportalen. Hier sollte es nicht nur um reine prozess-basierte Informationen gehen. Mitarbeiter haben unterschiedlichen Informationsbedarf: Expertenkontakt zu einem Thema, Informationsfragmente, Lösungswege zu einem (bereits aufgetretenen) Problem, Recherche zu Entscheidungen aus Meetings, Projektergebnisse, Maßnahmenstati, etc.
Es sollte gelingen, so viele Informationen mit Prozessbezug wie möglich, auf einer Prozessplattform anzubieten. Idealerweise als exklusive Informationen, um keine Redundanzen zu erzeugen. Ein reines Angebot von Prozessbeschreibungen und verknüpften Dokumentenvorlagen ist sicher ein Anfang, aber im Jahr 2014 mehr die Pflicht als die Kür. Denn BPM Systeme mit einem solch limitierten Angebot sind höchstens für neue Mitarbeiter mit umfassendem Informationsbedarf relevant. Erfahrene Mitarbeiter kennen ihre Prozesse. Sie benötigen die vielen kleinen Details, die heute auf unterschiedlichsten Servern und Datenbanken verteilt sind.

Gerne können Sie Ihre Meinung und Erfahrungen zum Thema in diesem Blog teilen. Fügen Sie dazu einfach einen Kommentar hinzu.

Bis zum nächsten Blog, herzlichst Ihr

Andreas Linsinger

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen